Von Hühnermobilen und glücklichen Kühen

Kreislaufwirtschaft auf dem Demeterhof Breit

Dr. Eva-Maria Gummelt zum Hofbesuch am 13. Mai 2022

Wie und was sollten wir essen?

Wo kommt das her, was wir konsumieren?

Wie steht es um die Haltung von Nutztieren?

Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich der Text der EKD „Nutztier und Mitgeschöpf “ von 2019 und formuliert: „Es geht um einenKuh und Kälber im Stall. Foto Eva-Maria Gummelt tiefgreifenden kulturellen Lernprozess und Wertewandel, der mit fundamentalen Fragen des Mensch-Tier-Verhältnisses ebenso wie dem Verhältnis des Menschen zur Ernährung und zu seinem eigenen Körper zu tun hat.“ (1) Wertvolle Hinweise, wie das gelingen kann, geben zum Beispiel die Zehn Gebote der Nahrung des Ökumenischen Rates der Kirchen . Eines davon, bezeichnenderweise das erste, lautet: „Du sollst Lebensmittel essen, die so nah wie möglich an deinem Wohnort gewachsen sind.“ (2) Und so schaue ich beim Einkauf nicht nur zunehmend auf die Bezeichnungen „Region Nordrhein-Westfalen“ und „Haltungsstufe 4“, sondern stöbere im Internet auch nach regionalen Bauernhöfen und Erdbeerfeldern zum Selberpflücken in der Nähe.

Landwirtschaft, wie man sie erträumt

In dem oben zitierten Text der EKD wird auch der Begegnung zwischen den Landwirtinnen und Landwirten und den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein hoher Stellenwert zugeschrieben und dazu werden Bauernhöfe mit einer ökologischen Landwirtschaft als Lernorte empfohlen. Einen Einblick, wie eine nachhaltige Landwirtschaft mit Hühnermobil und Kühen auf der Weide gelingt, vermittelt der Demeterhof Breit in Wittlich in Rheinland-Pfalz. Hier war ich am Freitag, den 13. Mai 2022 zu einer Hofführung im Rahmen einer Veranstaltung der Reihe „Landwirtschaft – für wen?“ der Evangelischen Akademie im Rheinland in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung Trier und Mittelmosel zu Gast.

Der Demeterhof Breit funktioniert als großer Kreislauf. 76 Hektar umfasst die bewirtschaftete Fläche; der Tierbestand ist übersichtlich und an die Fläche für Futtermittel und Weideland angepasst: Es gibt nur so viele Kühe, wie das Weideland ernähren kann, nur so viele Hühner, wie ebenfalls davon picken können und nur so viele Schweine, wie es zur Resteverwertung braucht. Eine Milchkuh gibt hier täglich ca. 25 Liter Milch. Diese kommt direkt in die Käserei und der Käse zusammen mit Kartoffeln, Äpfeln und vielem mehr auf dem Hof in den Hofladen. Der Garten des Hofes wird in einer Solidarischen Landwirtschaft bebaut. Hier zahlt jeder ein, wie viel er oder sie kann, hilft bei der Ernte und nimmt an Gemüse mit nach Hause, was gebraucht wird. Auch für das Tierwohl ist gesorgt. Neben dem Weidegang ab dem zweiten Lebensjahr behalten die Kühe ihre Hörner und der Weg zum Schlachter beträgt nur 15 km.

Im großen Stil umsetzbar?

Vor diesen Eindrücken, die dem gesellschaftlich gewünschten Ideal von Tierwohl und Umweltschutz schon recht nahe zu kommen scheinen, stellt sich die Frage, ob sich diese Art der Landwirtschaft auch im großen Stil durchführen ließe. Immerhin stellen die Höfe, deren Produkte das Demeter-Siegel führen dürfen, nur einen recht kleinen Teil der deutschen Landwirtschaft dar. (4) Doch bei der Hofführung und den Nachfragen und der Diskussion werden schnell die Problemfelder ausschließlich ökologischer Landwirtschaft deutlich. So wird auf die hohen Preise der Produkte, die von einem Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erschwinglich seien, hingewiesen. Eine Hochrechnung der Zahlen des Hofes Breit auf eine größere Fläche führt die Frage vor Augen, ob dann ausreichend Lebensmittel für die Bevölkerung produziert werden könnten. Das Thema des Familienbetriebes und die damit verbundene hohe Arbeitsbelastungen wird auch nicht verschwiegen. Und bei den Berichten über die Solidarische Landwirtschaft keimt in mir der Verdacht auf, dass diese gerade deshalb so gut funktioniert, weil es ungefähr 60 Parteien sind, die sich noch gut miteinander einigen können.

Und so verlasse ich den Hof mit einem seligen Eindruck ländlicher Idylle und einem feinen Stück Käse aus dem Hofladen, aber auch mit der Frage, wie sich die Landwirtschaft in Deutschland und vor Ort in den ländlichen Regionen der EKiR entwickeln wird. Auf jeden Fall hat der „Lernort Bauernhof“ in mir erneut ein großes Stück Dankbarkeit gegenüber den Landwirtinnen und Landwirten und den Tieren, die als „Hochleistungssportler“ (5) Milch und Eier produzieren, hervorgerufen. Ganz im Sinne des sechsten Gebotes der Nahrung: „Du sollst denen, die für dich Lebensmittel anbauen und zubereiten, dankbar sein.“

 

(1) EKD-Text 133, S. 87.
(2+3)  EKD-Text 133, 112-113.
(4) 2021 gab es in Deutschland 1778 Demeterhöfe, siehe den Jahresbericht 2021
(5) So bezeichnet von Jungbauer Dirk Brandsma, der uns über den Hof führte.